Einige Anmerkungen zum Ibich-Idiom anhand des Wortes "abschotig"

von Selma Schwingenschlögel

 

Hinsichtlich Semantik, Grammatik1 und Pragmatik der Ibichsprache scheint es in der modernen Forschung nur geringe Differenzen zu geben. Zwar ist insbesondere die Gruppe der Soziolinguisten nach wie vor mit dem Problem befasst, ob es sich bei den im Ibich-Wörterbuch niedergelegten lexikalischen Entitäten eher um Elemente eines Idioms, eines Soziolekts oder eines Jargons handelt, und einer Einigung in diesem Dissens stehen ganz offensichtlich noch eine Reihe divergierender Prämissen wie auch das Fehlen adäquater Distinktionen im Wege. Der Streit um den grammatischen Charakter des im Titel genannten Wortes (die Frage, ob es sich um ein durch Präfigierung gebildetes Derivat oder doch eher um ein Kompositum handelt), ließ sich allerdings recht schnell beilegen und könnte sich für eine Lösung auch der erstgenannten Fragestellung als paradigmatisch erweisen.

 

Anders sieht es in Bezug auf die Etymologie des Wortes aus: Bei diesem Thema stehen die Wissenschaftler der verschiedenen Schulen und Richtungen ganz ohne Zweifel erst am Anfang. So sind sich Linguisten der verschiedensten Teildisziplinen alles andere als einig, wenn es darum geht festzulegen, aus welchen Gründen sich die Mitglieder des Ibich-Sprachkreises gerade auf die Form abschotig geeinigt haben - statt einer Form wie etwa unschotig, inschotig, disschotig oder dysschotig.

 

Nicht weniger unklar ist die Quelle der zweiten Wortkomponente. Handelt es sich hierbei um die „längliche Kapselfrucht aus zwei miteinander verwachsenen Fruchtblättern und mehreren Samen an einer Mittelwand“ (Duden)? Oder doch eher um die Schot: „das Tau, das die Segel in die richtige Stellung zum Wind bringt“ (ebd.)?

 

Ohne stringent durchgeführte und breit angelegte empirische, analytische, synthetische und allgemeintheoretische Forschungsprojekte - einschließlich einer tiefergehenden Feldforschung, die vor dem Hintergrund der Erkenntnisse von Oelgemoeller et al.2 weitgehend unproblematisch und risikolos zu sein scheint - wird es kaum zu den dringend erforderlichen Fortschritten kommen können.

 

Einen vielversprechenden Forschungsansatz möchten wir hier noch kurz skizzieren. Es handelt sich um einen Analogieschluss am Beispiel des Wortpaares unartig vs. abartig.

 

Während der Duden die Bedeutung von unartig lakonisch mit nicht artig wiedergibt (Bei der Ibichforschung steht die Frage nach dem Wort schotig seit längerem auf der Agenda), heißt es zu abartig:

  1. (besonders in sexueller Hinsicht) vom als normal Empfundenen abweichend

  2. (auf absurde Weise) unangemessen, merkwürdig

Auch die vom Duden angegebenen Synonyme deuten auf eine sehr viel schärfere Abwertung des durch das Lexem abartig Bezeichneten hin.

 

Es scheint demnach angemessen, mit der bei derart komplexen wie sensiblen Fragestellungen gebotenen Vorsicht von der vorläufigen Arbeitshypothese auszugehen, dass das Wort abschotig eine relativ deutliche Verurteilung eines Verhaltens, Handelns, Ereignisses, ... beinhalten könnte.

 

Wie weit andererseits derlei semantische Feinheiten den ersten Ibichen bewusst waren, inwiefern sie gar im Schaffensprozess Berücksichtigung fanden, ... all das bleibt noch zu untersuchen.

 

Damit wollen wir nun unseren kleinen Einführungsbeitrag beenden. Er sollte beim Leser ein Gespür für die Schwierigkeiten der Ibichforschung - speziell der Sprachforschung - schaffen, gleichzeitig aber auch das Interesse hervorrufen, sich mit diesen sympathischen Wesen und ihren sprachlichen Äußerungen intensiver als bisher zu befassen.

 

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1 Wobei Konstruktionen wie „Lieber Bübchen“ oder „Bengelle“ zugegebenermaßen noch der Klärung bedürfen.

2 Demnach handelt es sich beim Ibich um ein „zugewandtes, kommunikatives und - insbesondere unterhalb

   eines noch genauer festzustellenden Alkoholpegels - nachgerade zutrauliches Geschöpf, in vielen Fällen alles

   andere als bildungsfern, oftmals multilingual und an wissenschaftlichen Fragen verschiedenster Disziplinen

   stark interessiert, dazu kritisch-selbstreflexiv, ...“.

   Schliepenkötter, Hans-Werner (Hrsg): Aufsätze zur Ibichkunde, Fortschrittlicher Feudel Verlag, Essen 2019,

   S. 359

 

05/20

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Ralf Langhorst (Mittwoch, 25 August 2021 15:23)

    Das ist ganz gosses Kino Bengel echt genial Ich hab mich kaputtgelacht

  • #2

    Dirk Paasch (Donnerstag, 25 November 2021 13:13)

    Du solltest einen Forschungsauftrag erhalten, dies hier dürstet nach mehr