Das Gewissen

 

Im Kopfe hinter Deiner Stirn

Sitzt ein Gewissen Dir im Hirn

Bei manchen sitzt es auch im Magen

Auf daß wir sittsam uns betragen

 

Ein gleinlich grummelnd Gorrektiv

Das oft schon Dich zur Ordnung rief:

Dein Handeln, schau, es ist verkehrt

Bedenke, was man Dich gelehrt1!

 

Wie hier und dort berichtet wird

Hat das schon ofmals funktioniert

Wiewohl - die eigenen Int'ressen

Kann niemand jemals janz verjessen

 

Das fängt beim falschen Parken an

Bei allem, wo man mogeln kann

Und setzt sich wohlbegründet fort

Zu Folter und zu Massenmord

 

Dieweil der Utilitarist

Ja immer auch den Nutzen mißt

Ob Lust, ob Macht, ob auch Pommfrit2

Beim Essen kommt der Appetit3

 

Das Handeln wider die Moral

Gilt selten wirklich als Skandal

Wenn nur der Nutzen reichlich sei

Dann denkt sich keiner nix dabei

 

Wie gut, daß Kant heut' nicht mehr sieht

Was hier mit der Moral geschieht

Wie wir gar jämmerlich versagen

In sämtlichen Gewissensfragen

 

Doch wird es immer jene geben

Die streng nach seiner Regel leben

Die niemals fudeln, niemals schummeln -

Sie hören auf ihr Magengrummeln

 

Und können so - fast möcht ich's wetten

Die Welt vor dem Verderben retten

 

__________

1 Denn die gesellschaftliche Norm
   Gibt dem Gewissen Stoff und Form

 

2 Karl Marx, Friedrich Engels, Werke, Bd. 25, "Das Kapital", Bd. III, Dritter Abschnitt,

   Gesetz des tendenziellen Falls der Pommfritrate, S. 221 - 241, Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983

 

3 Selbst Handeln, welches Grau'n gebiert

   Wird oft moralisch motiviert

 

2011

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Martha (Mittwoch, 01 Juni 2016 17:42)

    Ein klassisches Lehrgedicht aus der Werkstatt des Gebrauchsdichters, das Du mit viel Fleiss geschrieben hast und das so manche Wahrheit enthält, wie z.B. diese hier:

    Zitat:
    Das Handeln wider die Moral
    Gilt selten wirklich als Skandal
    Wenn nur der Nutzen reichlich sei
    Dann denkt man sich wohl nichts dabei
    Ich glaube nicht, dass der gute alte Kant sich in der Gegenwart mehr grämen müsste als zu seiner Zeit. Damals waren die Menschen nicht anders als heute, wenn es um Moral und Vorteile ging. Anderenfalls hätte er sich mit diesen Themen nicht befassen müssen. Allerdings könnten wir so einen wie ihn heute gut gebrauchen, einfach mal zur Auffrischung.