Der  Gedanke - oder: Wer denkt hier eigentlich wen?

 

Ohne Sprache, so glaube ich, gäb es kein Denken

Was vermöchte wohl ohne sie unser Verstand?

Mit Grammatik und Logik, mit Brockhaus und Duden

Hat er immer das richtige Werkzeug zur Hand

 

S - P - O1 ist die gängige Standardstruktur

Und so reden

Und denken!

Wir rund um die Uhr:

Ich hab heute den ganzen Tag etwas gemacht

Und:

Ich bin es, der denkt

Oder

Werd ich bedacht2?!

 

Auch beim Denken glaubt jeder, er sei das Subjekt

Wird die Wahrheit von unsrer Grammatik verdeckt?

Produziert mein Gehirn etwas ganz exklusiv -

Oder wird der Gedanke von sich aus aktiv? 

 

Also nun zum Gedanken:

Der ist wie mein Köter

Wenn ich rufe

Dann kommt er

Doch nur, wenn er will

Immer wenn ich ganz dringend ein' Geistesblitz brauche -

Kein Gedanke in Sicht

Der Gedanke schweigt still!

 

Aber nachts dann um drei - in den dustersten Stunden

Ich lieg schlaflos im Bett, krieg die Augen nicht zu

Hat mich irgendein fieser Gedanke gefunden

Fängt ganz tierisch am nerven und gibt keine Ruh

 

Wenn ich könnte - ich würde ihn gerne verjagen

Aber hartnäckig ist er und sehr dominant

Also muß ich für Stunden dem Schlafe entsagen

Bis dann der den Gedanken (und mich) übermannt

 

Im "Ich denke3" steckt also ein Kampf ums Primat:

Wer ist Súbjekt des Satzes und wer Prädikat4?

In der Nacht scheint das klar, doch wie ist es bei Tage?

Jeder kläre sie selbst, diese spannende Frage

 

 

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1 Subjekt - Prädikat - Objekt

 

2 … oder werd' ich gedacht?“ ergäbe auch einen interessanten Gedankengang ... 

 

3Ich denke den Gedanken G“ - so hieße es wohl ganz korrekt

   Das wär' zwar inhaltlich OK, doch rhythmisch leider unperfekt

 

4 Prädikate, die kann man grammatisch verstehen

   Klar, sagt jeder, natürlich, das kenne ich schon

   Prädikate im Lichte der Logik gesehen

   Steh'n – wie hier – für Begriffe der Prädikation

2013

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Kalle (Sonntag, 31 Juli 2022 12:07)

    Der Historiker Yuval Noah Harari beschäftigt sich in seinem Buch "Homo Deus" u.a. mit dem freien Willen (dessen Existenz er leugnet).

    Auf S. 299 des E-Books schreibt er:

    "Wenn Ihnen das nächste Mal ein Gedanke durch den Kopf geht, halten Sie inne und fragen Sie sich: «Warum habe ich diesen spezifischen Gedanken gedacht? Habe ich mich vor einer Minute dazu entschlossen, diesen Gedanken zu denken, und ihn erst dann gedacht? Oder ist er einfach in meinem Kopf aufgetaucht ohne meine Erlaubnis oder Anweisung? Wenn ich tatsächlich Herr über meine Gedanken und Entscheidungen bin, kann ich mich dann dazu entschließen, für die nächsten sechzig Sekunden überhaupt nichts zu denken?» Versuchen Sie das einfach mal, und schauen Sie, was passiert."

    Mein E-Book gibt weder Verlag noch Erscheinungsjahr an. Lt. Wikipedia:
    C.H.Beck, München 2017 (1. Auflage) bis 2018 (2. Auflage)