Oktoberrevolution

 

 

 

 

Oktoberrevolution

 

Bürgerkrieg und Interventionskriege

 

...

 

Hätten die Bolschewiki bei der Februarrevolution Halt machen sollen?

 

Der Kornilow-Putsch

 

Frieden + Bodenreform - Forderungen der Massen

 

Löhne, Achtstundentag, Arbeiterkontrolle

 

Die Hoffnung: Zeit des Übergangs ...

 

Die gescheiterte Novemberrevolution in Deutschland -> sep. Dok.

 

Opportunismus, Arbeiteraristokratie und Arbeiterbürokratie

 

Die Märzstreiks 1919

 

Fliegerbomben auf Arbeiterviertel

 

Anton meckert an der repräsentativen Demokratie

 

Die Gewalt ist der Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit einer neuen schwanger geht.

 

 

 

Anton und Emil sitzen gemütlich im Feudel-Eck an der Theke. Sie haben gerade ausführlich über Jule Barwenzik und Kalli Feldkamp geredet und was das noch für Zeiten waren, als RWO hinter Köln und Schalke auf Platz 3 in der Oberliga West stand.

 

 

 

Da hebt Anton an und spricht:

 

 

(...)

 

OK. Erst mal kurz zu Karl Marx. Der war ja wohl, wie es uns damals schien, davon ausgegangen, dass die proletarische Revolution in den hochentwickelten kapitalistischen Ländern stattfinden würde. Nun wurde sie aber in einem ökonomisch rückständigen, nicht in einem Industrie-, sondern in einem Agrarland durchgeführt. Und die entwickelten Länder folgten - die Gründe klammern wir hier mal aus - nicht nach. Das war vermutlich das erste von mehreren Problemen.“

 

Genau. Da hab ich in mein VHS-Kurs einiges mitgekriegt. Wichtig waren auch der verlorene Weltkrieg, die großen Gebietsverluste im Frieden von Brest-Litowsk, die nachfolgenden Interventionskriege, der Bürgerkrieg, ...“

 

(...)

 

Genau. Und schon vorher hatte der Bürgerkrieg begonnen und auch die Interventionskriege! Nach den Schäden und Verlusten des Ersten Weltkriegs erwies sich der Bürgerkrieg für Russland als noch größere Katastrophe, schreibt Wikipedia, wenn ich mich recht erinnere. Und zur Besetzung russischen Territoriums durch deutsche Truppen ab Februar 1918: Die Macht der Bolschewiki wurde überall dort gebrochen, wo deutsche Soldaten einmarschierten. ... durch die Invasion der Deutschen war ihre [der Bolschewisten] Macht zu Jahresende ebenso unsicher und fragil ...

 

Der Bürgerkrieg hätte also ohne die Interventionen der kapitalistischen Länder ganz sicher sehr viel kürzer sein können und nicht so viele Menschenleben fordern müssen.“

 

So aber dauerte er fast 5 Jahre. Russland war also fast 10 Jahre im Krieg! Ich glaube, es waren 14 ausländische Mächte an diesen Interventionen beteiligt. Deutschland, Großbritannien, Japan, die USA, Polen, ... Vom Westen bis hin zu Murmansk und Wladiwostok in Sibirien. Und außer direktem militärischen Eingreifen unterstützten die westlichen Länder die weißen Truppen mit Lieferungen und Hilfsleistungen - laut Churchill gab Großbritannien im Jahr 1919 hundert Millionen Pfund für die Weißen aus, Frankreich 30 bis 40 Millionen ...“

 

Nun heißt Bürgerkrieg ja aber, dass auch Russen gegen Russen kämpften ...“

 

So ist es. Natürlich gab es in Russland Kräfte, denen die Revolution nicht in den Kram passte. Niemand gibt die politische und wirtschaftliche Macht oder soziale Privilegien gerne ab. Kapitalisten, Großbauern, Teile der Kosaken ... Dazu kommt, dass Russland ein Vielvölkerstaat war. Und Widerstand kam auch von den verschiedensten politischen Kräften: Monarchisten, die das Zarentum wieder errichten wollten, Konservative, Nationalisten, Republikaner, ... Es war wohl eine sehr inhomogene Bewegung, die Weißen, die mit Unterstützung etlicher kapitalistischer Länder gegen die Bolschewiki kämpften ...“

 

Einige wollten also ihren alten Kaiser Wilhelm wiederhaben. Aber alle wollten, wie unser Kursleiter, die rote Socke, meint, das Privateigentum wieder herstellen.“

 

Ich denke, da hat er recht. Militärisch gesehen spricht man ja hier übrigens von den Weißen im Unterschied zu den Roten. Und es gab Kräfte außerhalb Russlands, im Grunde alle kapitalistischen Länder, die gerne vermeiden wollten, dass ihre Arbeiterklassen sich die Revolution zum Vorbild nahmen. Revolutionäre Bestrebungen existierten in vielen Ländern.“

 

Bürgerkrieg, Interventionskriege - war das nicht letztlich alles KONTERREVOLUTION? Der Versuch, die Revolution rückgängig zu machen?“

 

Jep. Es hatte Versuche gegeben,die Revolution militärisch zu verhindern. Klar, dass die Versuche fortgesetzt wurden. Ein Beispiel dafür, dass die Herrschenden Macht, Eigentum, Privilegien nicht freiwillig abgeben. (...)“

 

(...)

 

(...) Aber vorher noch eine andere Frage: Millionen von Toten hatte es gegeben. War es das wert? Haben nicht die Bolschewiki mit der Revolution quasi einen Bürgerkrieg vom Zaun gebrochen, der zu diesen Toten geführt hat? Hätten sie nicht bei der Februarrevolution Halt machen sollen?

 

Mensch, Emil, keine leichte Frage, finde ich. Vielleicht war aber die Hoffnung auf einen demokratischen Weg nach der Februarrevolution schon eine Illusion? Prof. Deppe weist darauf hin, dass sich nicht nur in Russland, sondern auch im Westen und der Mitte Europas am Ende des Krieges gegenrevolutionäre Allianzen bildeten.“

 

Na ja, kein Wunder. Wenn es revolutionäre Bewegungen gibt, dann natürlich auch Gegenbewegungen. Denk an Deutschland. Da haben ja meine Vorgänger von der Mehrheitssozialdemokratie im Bündnis mit der Obersten Heeresleitung gegen die Novemberrevolution die Hoffnungen auf einen friedlich-demokratischen Weg zum Sozialismus enttäuscht, das sehe ich schon ein.“

 

Laut Deppe hatte damals die demokratische Regierungsform in weiten Teilen Europas keine Chance. Die alten Fraktionen des herrschenden Blocks wollten ihre Vorherrschaft mit Gewalt stabilisieren bzw. restaurieren. Die Situaton war für sie nicht ungefährlich. Da waren die Kriegsniederlagen, die Krisenerscheinungen des Kapitalismus, revolutionäre Bewegungen waren im Aufschwung ...“

 

Es gab doch auch in Russland einen Putschversuch von rechts ...“

 

Den Kornilow-Putsch. Kornilow war ein zaristischer General. Im September legte er los. Gegen die provisorische Regierung und die Sowjets. Da zeigte sich das konterrevolutionäre Potenzial. Es gab aber zum Glück starke Gegenkräfte. Deshalb brach der Putsch schnell zusammen. Die Roten Garden und Soldaten, die sich den Sowjets angeschlossen hatten, leisteten kräftig Widerstand. Die Eisenbahnergewerkschaft bewaffnete zum Beispiel ihre Mitglieder, ließ Schienen und Brücken bewachen.“

 

Geil!“

 

Das zeigt aber auch, dass es ohne Gewalt nicht ging! Reaktionäre Gewalt, revolutionäre Gewalt. Selbst die Errungenschaften der bürgerlichen Revolution waren in Gefahr und mussten abgesichert werden. Warum an diesem Punkt stehenbleiben? Ein bürgerliches, kapitalistisches Russland hätte den Arbeitern und Bauern keine wesentlichen Verbesserungen gebracht.“

 

Sie hätten vieleicht wählen können ...“

 

Dazu sage ich gerne nachher noch was. Außerdem konnten sie wählen: Sie hatten ja Sowjets gewählt. So war es schließlich zur Doppelherrschaft gekommen: Auf der einen Seite die provisorische Regierung, auf der anderen Seite die Arbeiter- und Soldatenräte. Der wichtigste und politisch einflussreichste war der Petrograder Sowjet der Arbeiter- und Soldatendeputierten.

 

Der verabschiedere Im März 1917 ein Manifest An die Völker der ganzen Welt, das der Eroberungspolitik den Kampf ansagte und das europäische Proletariat zum Kampf gegen den Krieg aufrief.“

 

Frieden war ja wohl eine zentrale Forderung zu der Zeit.“

 

Du sagst es. Die provisorische Regierung setzte aber – auch unter dem Druck der Westmächte, die mit Russland im Krieg gegen das Deutsche Reich standen – den Krieg fort. Ein Stehenbleiben bei der Februarrevolution hätte eine Fortsetzung des Kriegs bedeutet.“

 

Du willst also Folgendes sagen: Ein Vorantreiben der Revolution war erforderlich, um einerseits die demokratischen Errungenschaften der bürgerlichen Revolution abzusichern und anderereits weitere zentrale Forderungen durchzusetzen.“

 

Genau. Und das geschah nach der Oktoberrevolution auch. Unter anderem durch das Dekret über den Frieden und das Dekret über den Grund und Boden.“

 

Die Bodenreform war demnach auch eine zentrale Forderung?“

 

Und ob! Schon im Mai 1917 hatte in Petrograd der erste Gesamtrussische Kongress der Bauerndeputierten stattgefunden, der die Aufhebung des Privatbesitzes an Grund und Boden sowie die entschädigungslose Enteignung des großen Grundbesitzes forderte. Es entwickelte sich – schon bevor die Bolschewiki die Macht ergriffen – ein regelrechter Bauernkrieg mit einer radikalen Umwälzung der Agrarverhältnisse.“

 

Bauernkrieg. Erinnert an Deutschland im 16. Jahrhundert.“

 

Ja. Aber die Aufstände wurden niedergeschlagen, Tausende Bauern hingemetzelt. Man erhebt sich nicht wider die Obrigkeit! In Russland desertierten Bauern, die für den Krieg rekrutiert worden waren, und eigneten sich in der sogenannten schwarzen Umverteilung de facto das Land an, von dem sie annahmen, dass es ihnen die offizielle Provisorische Regierung zugesprochen hätte. Es hatte sich jedoch nur um ein uneingelöstes Versprechen gehandelt.“

 

Und die Arbeiters?“

 

Die Arbeiterschaft radikalisierte sich. In den Betrieben selbst wurde um die Macht gekämpft. Dabei ging es einerseits um klassische gewerkschaftliche Forderungen wie Lohnerhöhungen und den Acht-Stunden-Tag.“

 

Bravo!“

 

Es ging aber auch schon um Formen der Arbeiterkontrolle!“

 

Bereits vor der Oktoberrevolution?!“

 

In der Tat. Es hatten sich Arbeiterdeputiertenräte etabliert. Und Gewerkschaften. Und vor allem Betriebskomitees. Die wurden direkt von den Belegschaften gewählt.“

 

Arbeiterdemokratie, klasse.“

 

Diese Komitees übernahmen zugleich Funktionen bei der Fortführung der Produktion – auch gegen den Willen der Unternehmer – und bei der Verhinderung von Massenentlassungen.“

 

Eingriffe in die Verfügungsgewalt über das Privateigentum ...“

 

Deppe zitiert Skocpol:

 

Die Industriearbeiter waren zum Überleben darauf angewiesen, dass die Fabriken weiter produzierten – und dass – wenigsten zu minimaler Sicherheit – der Austausch zwischen Produzenten und Konsumenten, sowie zwischen Stadt und Land weiter ging. Als sich das Chaos ausweitete, hatten sie ein gesteigertes Interesse an der Zusammenarbeit mit irgendeiner organisierten revolutionären Kraft, die daran gehen würde, diese Probleme zu lösen.

 

Das sprach ja dann wohl für die Bolschewiki, nehme ich an ...“

 

Bis zum Sommer 1917 hatte sich deren Mitgliederzahl auf eine Viertelmillion erhöht. Die Leistung von Lenin und den Bolschewiki bestand laut Deppe im Wesentlichen darin, dass sie zu erkennen in der Lage waren, was die Massen wollten. Führung bestand eben auch darin, den Massen folgen zu können wie wohl Hobsbawm mal gesagt hat.

 

Und das alles unter den Bedingungen der Illegalität - die Parteiführer waren ja im Gefängnis oder auf der Flucht, viele waren im Exil, so auch Lenin.

 

Und nach Massendemonstrationen im Juli kam es zu Verhaftungen und Verfolgungen der Linken überhaupt, nicht nur der Bolschewiki. Die provisorische Regierung geriet immer mehr in die Defensive. Was sollten die revolutionären Kräfte in einer solchen Situation tun? Die Dinge einfach laufen lassen, sich mit dem Februar zufrieden geben? Die zentralen Forderungen der Arbeiter und Bauern und der Soldaten ließen sich auf diese Weise offensichtlich nicht erfüllen.“

 

Frank Deppe: 1917 | 2017, Revolution & Gegenrevolution (Leseprobe)

 

http://www.vsa-verlag.de/nc/detail/artikel/1917-2017/

 

 

 

Frank Deppe: Der Oktober 1917 und das Zeitalter der globalen Gegenrevolution

 

http://www.zeitschrift-marxistische-erneuerung.de/article/3148.der-oktober-1917-und-das-zeitalter-der-globalen-gegenrevolution.html

 

 

 

Georg Fülberth: Was bedeutet(e) die Oktoberrevolution

 

https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=4&ved=0ahUKEwj6tNSBr4zYAhVB16QKHVEvBw0QFghAMAM&url=https%3A%2F%2Fwww.die-linke-in-leipzig.de%2Ffileadmin%2Flcmssvleipzig%2Fuser%2Fupload%2FGeorg_Fuelberth.pdf&usg=AOvVaw01wSBzwRMON9r0EGElXTdh

 

 

 

Wolfgang Gehrcke (mit Christiane Reymann): 100 Jahre Oktoberrevolution

 

https://www.wolfgang-gehrcke.de/de/article/1945.100-jahre-oktoberrevolution-ein-blick-auf-das-unm%C3%B6gliche.html

 

 

 

Hans Heinz Holz. 1789 ▪ 1917 - Zwei Revolutionen

 

http://www.hansheinzholz.com/fileadmin/content/Topos-Sonderheft_2_-_Die_zwei_Revolutionen.pdf

 

 

 

Bruno Mahlow: Aufbruch in gesellschaftliches Neuland

 

https://unsere-zeit.de/de/4949/theorie_geschichte/7223/Aufbruch-in-gesellschaftliches-Neuland.htm

 

 

 

Evelyn Pentzel: Politische Okonomie des Kommunismus als Gegenstand theoretischer Auseinandersetzungen und in der praktischen Anwendung (preprint)

 

https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=15&ved=0ahUKEwji45mD4dLaAhVGIcAKHW21CDU4ChAWCEIwBA&url=http%3A%2F%2Fwww.politische-oekonomie.org%2Frsc%2Fpolitischeoekonomiedeskommunismus.pdf&usg=AOvVaw30Q8rVNWTMGPJ6KUFoj1CB