Ergänzung zu "Eine Politik der Bergpredigt? ..."

 

Anton und Emil1 unterhalten sich in ihrer Stammkneipe Zum Feudel-Eck über Beatrice Heusers Arbeit

Subversive Operationen im Dienste der „Roll-Back“-Politik

1948-19532

 

 Zum Hintergrund lohnt ein Blick in den (kurzen) Wikipedia-Artikel

 

 

(...)

 

Erst mal noch zwei Pils. Lothar!

 

OK. Die gehen auf mich. Jetzt aber zum Rollback. Wie durch Zufall bin ich auf einen hoch-interessanten Text von Beatrice Heuser gestoßen: Subversive Operationen im Dienste der „Roll-Back“-Politik 1948-1953.

 

Beatrice ...?“

 

Heuser. Historikerin und Politikwissenschaftlerin. Von 2000 bis 2003 war sie Professorin für Internationale Beziehungen und Strategische Studien am Department of War Studies, King’s College London und von 2003 bis 2005 Forschungsdirektorin am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA) in Potsdam. Von 2007 bis 2017 war sie Professor für Internationale Beziehungen an der University of Reading. Seit 2017 ist sie Inhaberin des ersten Lehrstuhls für Internationale Beziehungen an der University of Glasgow.“

 

Du willst damit sagen: Eine renommierte, ernstzunehmende Wissenschaftlerin, kommt nicht aus der DDR, ...“

 

Sie stellt den auch von Dir angesprochenen vorgeblich defensiven Charakter der Rollback-Politik dar, ist meines Erachtens in keiner Weise einseitig. Belegt fast jede Aussage - ihr Artikel ist eine richtig schöne wissenschaftliche Arbeit.“

 

Die uns was lernt?“

 

Beim Rollback ging es um nichts weniger als den Versuch, die von der Sowjetunion beherrschten Gebiete Osteuropas zu befreien. Die „Befreiungspolitik" war in beiden Ländern [USA und Großbritannien] auf höchster Ebene gutgeheißen worden ...

 

Zu diesen Gebieten gehörte auch die DDR, klar.“

 

Heuser zeigt recht detailliert, dass es sich nicht nur um ein politisches Programm handelte. Es ging richtig zur Sache.“

 

Mit Action? Spannend!“

 

Die USA und Großbritannien wollten diese politische Konzeption verwirklichen, indem sie Widerstandsbewegungen in den osteuropäischen Ländern durch Waffenlieferungen und Propaganda unterstützten, aber auch antikommunistische Exilanten einschmuggelten, die dort Widerstand organisieren sollten.

 

Nun ist das ja bei solchen Aktionen, wenn sie im Geheimen stattfinden, nicht immer einfach, Belege zu finden ...“

 

Das schreibt sie auch. Von meiner Seite eine Anmerkung dazu: Manchmal werden nach Jahr-zehnten Dokumente veröffentlicht oder Geheimhaltungen aufgehoben. Wir hatten vorige Tage die Operation Ajax im Iran. Obama hat 2009 öffentlich das eingestanden, was die CIA jahrzehntelang geleugnet hatte.“

 

Und was bis dahin als Verschwörungstheorie galt.“

 

Trotzdem lassen sich, so Heuser, genügend Mosaiksteine finden und zu einem wenigstens in einigen Partien deutlichen Bild der Formulierung und Durchführung dieser Befreiungspolitik zusammenfügen.“

 

Na denn man los.“

 

... die Sowjetunion selbst mußte geschwächt werden, indem sie aus dem Bereich, den sie bereits beherrschte, zurückgedrängt wurde13. Danach konnten die „befreiten" Gebiete zur Demokratie bekehrt werden.

 

Erinnert an Adenauer.“

 

In einem von Truman bestätigten policy-paper des National Security Council, das mit der Bestätigung durch den Präsidenten Gesetzescharakter erlangte, heißt es - ich hab mir mal erlaubt zu übersetzen:

 

Die Vereinigten Staaten sollten darauf abzielen, die Stärke der kommunistischen Kräfte in der sowjetischen Welt zu untergraben, eine intensive und effektive ideologische Kampagne zu entwickeln, ein koordiniertes Programm zu entwickeln und auszuführen, um Untergrund-Widerstandsbewegungen in Ländern hinter dem Eisernen Vorhang, einschließlich der UdSSR, zu unterstützen.

 

Ich habe mir des Weiteren gestattet, einige Auslassungspunkte wechzulassen.“

 

OK, das ist der Plan. Kann uns wenig überraschen. Und wieder deutest Du unterschwellig an, dass dieses Programm auch für die DDR galt.“

 

Derlei Schlüsse vermagst Du selbst zu ziehen oder auch nicht. Heuser weiter:

 

Dieses policy-paper ist in Verbindung zu sehen mit der Direktive NSC 10/2 vom 18. Juni 1948, mit der eine neue CIA-Abteilung für „Special Projects" geschaffen wurde. Sie bekam den Auftrag, in Friedenszeiten verdeckte Operationen zu planen und durchzuführen: ...

 

Man ging also vom Wort zur Tat über!“

 

Nun wieder meine Übersetzung - auch hier fehlen teilweise Auslassungszeichen - des Papiers:

 

Verdeckte Operationen sind alle Aktivitäten, die von dieser Regierung geleitet oder unterstützt werden gegen feindliche ausländische Staaten oder Gruppen oder zur Unterstützung freundlicher ausländischer Staaten oder Gruppen, die aber so geplant und durchgeführt werden, dass irgendeine Verantwortung der US-Regierung für sie nicht erkennbar ist [...] Solche Operationen sollen insbesondere enthalten [...] Propaganda; ökonomische Kriegsführung; preventive direct action einschließlich Sabotage, Anti-Sabotage, Zerstörung und Evakuierungsmaßnahmen; Subversion gegen feindliche Staaten, einschließlich Unterstützung für Untergrund-Widerstandsbewegungen, Guerillas und refugee liberation groups [...]

 

Hört sich ein bisschen nach Pidgin-Englisch an. Bei einigen Begriffen warst Du Dir nicht sicher?“

 

Ich weiß, bei Mücke hätte das Punktabzug gegeben. Aber immerhin, den größten Teil habe ich geschafft.

 

Heuser betont:

 

Es muß unterstrichen werden, daß, wie noch zu zeigen sein wird, diese politische Strategie während der Amtszeit Trumans formuliert und auch verschiedentlich angewandt worden ist, obwohl Eisenhower und sein Außenminister Dulles in ihrer Wahlpropaganda 1952 den Anschein erweckten, die Politik Trumans sei lediglich passiv und defensiv gewesen18.“

 

Mannomann, die Amis!“

 

Die Tommies waren zeitweise nicht besser:

 

Am 25. November 1948 stellte Robert Hankey, einer der führenden Beamten des britischen Foreign Office, seinen Kollegen im „Russia Committee" ein Programm vor, nach dem britische Politik gegenüber „der sowjetischen [Macht-]Sphäre in Europa" nicht mehr rein defensiv bleiben, sondern, ohne allerdings in einen „heißen Krieg" umzuschlagen, offensiv werden sollte. Hankeys Vorschläge fanden allgemeine Zustimmung. Die kriegerische Stimmung des Treffens spiegelt sich in der Forderung des Oberbefehlshabers der Luftwaffe Lord Tedder wider, daß, wie er sagte, „wir es uns zum Ziel setzen sollten, den Kalten Krieg innerhalb von fünf Jahren zu gewinnen (womit er den Sturz des sowjetischen Regimes meinte)".“

 

Noch ein Visionär. Hat allerdings 38 Jahre länger gedauert.“

 

In der Diskussion gab einer der ranghöchsten Diplomaten, Deputy Under-Secretary of State Sir Ivone Kirkpatrick, zu bedenken, daß Großbritanniens finanzielle Lage und auch die öffentliche Meinung es wohl ratsam machten, „jegliche Art von Offensivoperationen zunächst in einem kleinen Gebiet zu beginnen". Dabei nannte er Albanien. Wäre es nicht möglich, regte er an, hier einen Bürgerkrieg anzufangen?

 

Heissassa! Da weiß ich ja gar nichts von!“

 

Daraufhin kam Sir Ivone Kirkpatrick auf den Gedanken, die Operation von albanischen Widerstandsgruppen durchführen zu lassen. Kirkpatricks Vorschlag wurde angenommen, und die Mitglieder des Komitees kamen überein, das Vorhaben mit den Amerikanern zu koordinieren22.

 

Die Aktion endete in einem Desaster. Dauerte vier Jahre. Eine weitere Aktion richtete sich gegen Jugoslawien. Die CIA schleuste monarchistische Flüchtlinge ein. Hat auch nicht funktioniert.“

 

Erinnert mich an die Invasion in der Schweinebucht auf Kuba. Da hat die CIA auch Exilanten eingesetzt, um Castro zu stürzen.“

 

Europa, Ostasien, Afrika, Lateinamerika - Unter Nixon verlagerte sich das Schwergewicht solcher Aktivitäten aus Ostasien zeitweilig nach Schwarzafrika. schreibt Heuser und Etliche Projekte der USA in Lateinamerika fallen wohl noch heute in die Kategorie von „special Operations" zur Bekämpfung des Kommunismus.

 

Auch sie beschränkt sich also nicht auf die Zeit bis 1953.“

 

Na ja, für eine wissenschaftliche Arbeit muss man sich einen überschaubaren Bereich aussuchen. Wir wissen allerdings auch ohne ihre Expertise, dass die USA ihrer Politik über all die Jahre treu geblieben sind. (...)“

 

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1 Es handelt sich um einen Auszug aus meinem Text Anton, die Mauer und die Schuld, in dem sich die beiden zwölf Abende lang im

   Feudel-Eck über die Frage unterhalten, ob Anton als ehemaliges DKP-Mitglied Schuld auf sich geladen habe, weil er seinerzeit die

   Mauer verteidigte. In den Gesprächen geht es um geschichtliche, politische und ethische Aspekte der Fragestellung.

2 Beatrice Heuser: Subversive Operationen im Dienste der „Roll-Back“-Politik 1948-1953, Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte,

   www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1989_2.pdf

 

 

 


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