Eddies [Umzugs-]Party: Der Sophist

 

Auf der Party ist Eddie alleine am Schwophen

Alle anderen hocken auf Stapeln und Kisten

Heute streiten sich Altonas Top-Philosophen

Und auch einige ... wart mal ... ich glaube: Sophisten?!

 

Beide haben angeblich mit Weisheit zu tun

Denn Sophia - das scheint ja wohl Weisheit zu heißen

Aber Weisheit - was ist das?

So frag ich mich nun

War's wohl weise von Eddie, die Party zu schmeißen?

 

Die Debatte ist spannend und heftig und laut

Eddies Boxen, die kommen dagegen kaum an

Der versteht das wohl besser, der einfach mal schaut

Wie das alles vor tausenden Jahren begann

 

***

 

Wir sind im alten Griechenland1

Genauer: sind wir in Athen

So reich wie schön und dominant

Voll demokratischer Ideen

 

Schon damals gab es Volksvertreter

Gewählt und auch durch Los bestimmt

Wodurch dann früher oder später

Fast jeder einmal Einfluss nimmt

 

Zumindest jeder freie Mann

(Für Frau'n und Sklaven gilt das nicht)

Wenn dieser dann noch reden kann

Und wenn er überzeugend spricht ...

 

(Ob vor dem Volk, ob vor Gericht)

 

Das kann ein Plus an Ansehn bringen

An Geltung, Einfluss, Reichtum, Ehre

Bald träumt man auch von größren Dingen

Und schielt nach der Politkarriere

 

Hier kommt nun der Sophist ins Spiel:

Rhetorikmeister aller Klassen

Mit seiner Hilfe - so der Deal -

Begeisterst du alsbald die Massen

 

Die Sprache ist sein Hauptmetier2

Hat seinen Hómer[:-)] gut studiert

Ein weiser? Mann, so das Klischee

Der jeden Auftritt zelebriert

 

Hat hier schon ein Gesetz geschrieben

Hat dort Politiker beraten

Und hat sich reichlich rumgetrieben

In sämtlichen antiken Staaten

 

***

 

Ihr fragt, was dieser weise Mann

Nun ganz konkret und praktisch kann?

 

***

Nimm an, du hast ein Argument

Nur leider eines von den schwachen

Er kann, weil er die Tricke kennt

Aus diesem - schwupps! - ein starkes machen

 

(Dies - wie er seine Schüler lehrt -

Geht bei Bedarf auch umgekehrt)

 

***

 

Sophisten waren Wanderlehrer

Ihr Impetus war sicher auch

Ein mehr als minder monetärer

(Ein neuer, ungewohnter Brauch3)

 

Dies war dem Philosophen fremd

Der wider die Sophisten fluchte

Dieweil er treu und konsequent

Beharrlich nach der Wahrheit suchte

 

So finden wir in jener Zeit

Von der man manches Gute hört

Die Basis grad für jenen Streit

Der heut noch Eddies Party stört

 

***

 

Ein Streit, der tausend Jahre währt

Das hat man noch nicht oft gesehn

Was läuft da eigentlich verkehrt?

Ich würd die Gründe gern verstehn

 

Die Wahrheit, nehmen wir mal die:

Der eine sagt, die gäb es nicht

Die gäb's nur in der Theorie

Ein jeder habe seine Sicht ...

 

... die subjektive Perspektive

Die ganz persönliche Empfindung

So dass nichts „Objektives“ bliebe

Für irgendeine Wahrheitsfindung

 

(Das heißt wohl, wie ich grade las

Der Mensch sei aller Dinge Maß4)

 

Und wenn es keine Wahrheit gebe

Dann blieben letztlich nur Int'ressen

Von daher könne man dann eben

Auch so was wie Moral vergessen

 

Moral ist, was mir Nutzen bringt!

Sie war im Grund immer schon

- Auch wenn das nihilistisch klingt -

Nie mehr als bloße Konvention!

 

Und dies rechtfertigt dann den Schluss:

Der Starke tue, was er kann

Der Schwache dulde, was er muss ...

 

(Die Wirtschaft glaubt noch heut daran:

Das, was man freie Wirtschaft nennt -

Die praktiziert das konsequent)

 

***

 

Das regt den Philosophen auf

Dem derlei Denken kaum gefällt

Dieweil er an die Wahrheit glaubt

Und die Moral für wichtig hält

 

Denn jeder, der die Wahrheit liebt

Der hat natürlich ein Problem

Wenn es dieselbe gar nicht gibt ...

(Und an Moral fehlt's außerdem!)

 

Bei Platon ist das so gewesen

Und auch bei Aristoteles

Es lohnt sich, dort mal nachzulesen

Denn so erfahrt ihr folgendes:

 

(...)

 

Mann, grade wird mir eins bewusst:

Ich hätte unwahrscheinlich Lust

Euch von den beiden zu berichten

Und manches noch hinzuzudichten

 

Doch bin ich echt ein wenig bang:

Der Stoff gerät mir jetzt zu lang

Drum muss ich wohl die beiden Größten

Auf Eddies Party (4) vertrösten ...

 

_____

1 Entliehen aus Achilles und die Schildkröte

 

2 Doch hat er nicht nur ein Talent

   Kann nicht allein am Worte drehn

[Will sagen: Leute überzeugen

Und Substantive deklinieren

Das Verb (bekannt als Tuwort) beugen

Sowie Begriffe definieren ...]

   Er ist in allem kompetent -

   Gar einen Peplos5 könnt er nehn!

 

   Auch Schuhe schustern, Ringe schmieden

   Ob Lyra- oder Mathestunde

   Er sorgt für deinen Seelenfrieden

   Und ist ein Ass in Himmelskunde

   (...)

 

3 Denn wer bezahlte Arbeit tat

   Der zählte zu den untren Klassen

   So Tischler, Sattler wie Soldat

   Die mussten sich bezahlen lassen

 

   Sie wurden damals in Athen

   (Ja, so was macht uns heute fertig)

   Als minderwertig angesehn

   Auch als moralisch minderwertig!

 

4 Siehe: Der Relativist

 

5 „Peplos, der: altgriechisches faltenreiches, gegürtetes Obergewand, besonders der Frauen ...
   Betonung:
Peplos“ (duden.de)

 

04/20

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Chris (Sonntag, 10 Mai 2020 16:11)

    Liest sich alles ein wenig erheiternd durch die Versform. Und zielt auf die Wahrheitsfrage ab. Die lässt sich sich leider nicht in unserem Bewusstseinsmodus beantworten. Für den gilt: "Der Mensch ist das Maß aller Dinge".
    Für den Tiefenphilosophen gilt: "Die Wahrheit ist das Maß aller Dinge."
    Die Wahrheit ist transzendental: "Das sich selbst-denkende Denken" (Aristoteles) = das reine Bewusstsein = die reine Information, die nur aus sich selbst heraus verstanden werden können, und denen wir uns in der Meditation nähern.
    Einstein: "Du kannst das Problem nicht von der gleichen Ebene lösen, die das Problem geschaffen hat".

  • #2

    Waltraud (Sonntag, 10 Mai 2020 16:46)

    Der Sprachphilosoph Paul Sailer-Wlasits in einem Telepolis-Interview zum Begriff der "neuen Normalität" in der Corona-Krise:

    "... "Temporärer Ausnahmezustand" wäre gewiss präziser gewesen, aber auf dem politischen Sprachmarkt rhetorisch weitaus weniger gut verkäuflich. Die Sprache der Politik ist nicht an Ehrlichkeit oder Wahrheit gebunden. Die politische Sprache reüssiert auf dem "Sprachmarkt" nicht durch Wahrhaftigkeit, sondern dadurch, dass eine gesellschaftliche Mehrheit Aussagen für wahr hält. Das für-wahr-Gehaltene reicht für das Gewinnen von Wahlen völlig aus. So bedauerlich das auch sein mag: die Rhetorik siegte machtpolitisch immer schon über die Wahrheit. [sic!] Kurzfristig jedenfalls. Viele Jahre später kommt die Wahrheit dann zumeist ans Licht, aber die künftigen Kollateralschäden interessieren die so gut wie immer nur im Jetzt agierenden Politiker nicht.
    ...
    Die politische Debatte wird so gut wie immer vom rhetorischen Effekt dominiert."
    https://www.heise.de/tp/features/Die-neue-Normalitaet-Gewoehnt-Euch-dran-4717934.html

    Wie schreibt Tünn: "Hier kommt nun der Sophist ins Spiel ..."