Der Arbeitsmigrant - Variante I

 

Wer nur den eig'nen Vorteil sieht

Und seinen Weg alleine geht

Der meint vielleicht, er braucht sie nie

Die Kraft der Solidarität

 

Denn die entwickelt sich im Kampf

Und dann kämpft keiner ganz allein!

Ein jeder steht, so gut er kann

Zugleich für alle andern ein

 

***

 

Mein Bruder fühlt sich unzufrieden

Ihn zieht es in die große Stadt

Die hat ihm deutlich mehr zu bieten:

Dort gibt's Privatpatienten satt

 

OK, Ich sollte akzeptieren

Dass er sich nun vom Acker macht

Hingegen - solidarisieren ...?

Das halt ich kaum für angebracht 

 

Er muss hier ja nicht etwa fliehn

(Woanders sieht das anders aus)

Nein, in der Stadt, da geht es ihm

Ganz einfach besser als zu Haus

 

Uns wird er schon gleich morgen fehlen

Der letzte Arzt vom platten Land

Scheint - logisch?! - die Option zu wählen

Die er für sich am besten fand

 

(...)

 

Mein Bruder hat sein Ziel erreicht

Und zwar - betont er - ganz allein!

Er musste, wie er unterstreicht

Mit niemand solidarisch sein

 

***

 

Ich weiß, es gibt noch andre Fälle

Ja, das Problem ist kompliziert

Drum wird auch bald an dieser Stelle

Das nächste Beispiel diskutiert

10/2018

 


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Kommentare: 3
  • #1

    Fred (Donnerstag, 15 November 2018 17:14)

    Hi Tünn,
    ist das ein Beitrag zur Debatte um Migration und Flucht?

  • #2

    Tünn (Samstag, 17 November 2018 14:47)

    Hi Fred,

    kann man so sehen. Zur Zeit geht es um das UN-Migrationsabkommen. Auch ansonsten werden Fragen von Flucht und Migration heiß diskutiert. Zum Beispiel:

    In ihrem „Thesenpapier zu einer human und sozial regulierenden linken Einwanderungspolitik“[1] skizzieren Fabio de Masi und weitere Autorinnen und Autoren linke Positionen zu Flucht und Migration. Um das Papier wird innerhalb der Linken heftig gestritten. In meinem Gedicht möchte ich insbesondere folgende Aspekte hervorheben:

    1. Die Unterscheidung des Thesenpapiers zwischen Menschen in Not und denjenigen, die „lediglich ein höheres Einkommen erzielen oder einen besseren Lebensstandard genießen wollen“[2] scheint mir angemessen.

    2. Kritiker des Thesenpapiers plädieren dafür, „Flucht und Migration zentral als eigensinnige, auch kämpferische (sic!) soziale Bewegungen in Reaktion auf die Verwüstungen eines globalen autoritär-neoliberalen Kapitalismus zu begreifen, ...“[3]
    Ich möchte deutlich machen, dass mir eine solche Auffassung keineswegs absolut zutreffend scheint.

    3. Vertreter der offenen Grenzen sind der Ansicht, man müsse mit Migranten so wie mit Flüchtlingen solidarisch sein. Auch hier möchte ich veranschaulichen, dass diese Einstellung nicht durchgängig angemessen ist.

    Der individuelle Wanderungsprozess eines Arztes aus Afrika, der für die Zurückgebliebenen eventuell gravierende Nachteile hat, ist nicht im geringsten solidaritätsfähig. Ein Angestellter, der eines höheren Gehalts wegen von Firma A zu Firma B wechselt, wird auch keine Solidarität verlangen. Beider Verhalten ist natürlich legitim in dem Sinne, dass sie ihre berechtigten Interessen im Auge haben. Aber eben nur ihre eigenen Interessen.

    Es geht also nicht darum, „von Millionen Menschen im globalen Süden paternalistisch zu fordern, doch bitte zu Hause zu bleiben und dort für Gerechtigkeit und ein besseres Leben zu kämpfen.“[4] Zumindest für einen Teil dieser Menschen ist Forderung nach Solidarität schlicht nicht angemessen. Solidarität wäre wichtiger mit den Zurückgebliebenen, die weder die Ausbildung noch die Reisemöglichkeiten haben, um als Arbeitsmigrant in Deutschland einen gut bezahlten Job zu erhalten.

    4. Dass es auch andere Fälle gibt als den von mir geschilderten - darauf weise ich ebenfalls hin. Natürlich kann man nicht alle Aspekte in einem kleinen Gedicht abhandeln.
    _____
    [1] https://www.die-linke.de/fileadmin/download/debatte/einwanderungsgesetz/2018-05-03_thesenpapier_linke_einwanderungspolitik.pdf
    [2] ebd., S. 2
    [3] https://www.neues-deutschland.de/artikel/1089851.linke-debatte-ueber-migration-marx-haette-das-nicht-gefallen.html
    [4] https://jungle.world/artikel/2018/22/links-bleiben

  • #3

    Katharina (Montag, 19 November 2018 08:00)

    Gerade gelesen, passt gut zu dem Thema:
    https://www.heise.de/tp/features/UN-Migrationspakt-verwaltet-weltweite-Ungleichheit-4224403.html