Der Fremde oder: Herbst 2015

                       (Teil I)

 

Da steht ein Mensch vor meiner Tür

Erbärmlich arm, exotisch fremd

Ich merke, dass ich Angst!? verspür

Als ging es um mein letztes Hemd

 

Die Frage ist: Was soll ich tun?

Was raten Ethik und Moral?

Ich muss ihm helfen - hier und nun

Im Grunde bleibt mir keine Wahl

 

Ich schau ihn an - er tut mir leid

Verlor, was immer er besaß

Zum Helfen bin ich wohl bereit -

Nur such ich noch das rechte Maß

 

Der Philosoph hebt an und spricht:

Es liegt im steten Teilen Sinn

Solange nämlich Dein Verzicht

Geringer ist als sein Gewinn“

 

Doch hab ich noch manch andre Pflicht

Als Vater, Sohn und Ehemann

Die ich - moralisch oder nicht -

Gewiss nicht ignorieren kann

 

Wobei ja wohl manch Denker meint

Die Stärke des Familienbands

Das uns besonders wichtig scheint

Sei ethisch ohne Relevanz1 ...!?

 

     Ein andrer stellt mir gar die Frage

     Wie weit ich eine Mitschuld!? trage

     Ob Wirtschaft, Handel, Klima, Kriege

     Warum ich denn zu all dem schwiege?

 

Das scheint mir überlegenswert

Ich denke manchmal selbst inzwischen

Es wär wahrscheinlich nicht verkehrt

Sich hier und da mal einzumischen

 

(...)

 

_____

1 Ich bin verwirrt

   Und irritiert

   Weil vieles seinen Wert verliert ...

 

   Nichts wird so bleiben, wie es ist

   Gesellschaft, Recht, Familie, Staat

   Ich tipp' auf einen Kompromiss:

   Halb Republik, halb Kalifat [:-)]

 

 

Der Fremde oder: Herbst 2015

                       (Teil II)

 

Gar viele gibt es so wie ihn

Die nun nach Alemania! streben

Die Chaos, Krieg und Terror fliehn

Voll Hoffnung auf ein bessres Leben

 

Wie viele finden keinen Job ...

Das kostet eine Menge Geld

Doch passt der Ruf "Migranten stop!"

In unsere globale Welt?

 

Sind Grenzen (längst schon obsolet

Für Waren und für Kapital)

Nicht - wenn's um Flucht von Menschen geht -

Barrieren wider die Moral?

 

Nur: Ist die Menschheit schon bereit

Die Grenzen gänzlich abzuschaffen?

Noch gibt es Hader, Hass und Streit

Da braucht man Staaten, Grenzen, Waffen

 

Was sagst Du nun zu solchen Thesen?

Du siehst das ja total konträr

Sie inhaltlich zu widerlegen

Das ist, was hier zu leisten wär

 

So viele Fragen sind noch offen

Tabus auch hier nicht angebracht

Es wird, so möcht ich vielmehr hoffen

Das Unbequeme mitgedacht

 

 

          (To be continued ...?)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

11/2015

 



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Kommentare: 2
  • #1

    Heidi (Freitag, 05 Juni 2020 19:32)

    Sag mal, Tünn, wer ist denn dieser "Du", der das total konträr sieht?

  • #2

    Tünn (Freitag, 05 Juni 2020 19:49)

    Danke, Heidi, für deine Nachfrage. Der Zusammenhang ist vielleicht nicht unwichtig.

    Herbst 2015 - die Zeit der sog. Flüchtlingskrise. Ich hatte damals das Gefühl, dass diese Entwicklung unser Land sehr stark verändern könnte. Dazu müsste, so fand ich, eine große gesellschaftliche Debatte stattfinden. An dieser wollte ich teilhaben.

    Ich habe mich damals zeitweise im Leserforum einer linken Tageszeitung engagiert.

    Die Diskussionen liefen nicht immer sehr kameradschaftlich ab. Wir erinnern uns: Die beiden extremen Positionen innerhalb der Gesellschaft waren: Grenzen zu für alle! und Grenzen auf für alle!

    Bei bestimmten Leuten im linken Spektrum reichte es, die Losung „Grenzen auf für alle!“ in Frage zu stellen, kritische Fragen aufzuwerfen oder bestimmte Begriffe zu verwenden, um sich den Vorwurf einzuhandeln, man sei ein Nationalist oder Rassist.

    Es wurde - von einigen - zu wenig inhaltlich argumentiert und zu viel - nun ja, auch schon mal diffamiert.

    Einer meiner Debattenbeiträge waren seinerzeit die obigen Zeilen.