Der Strauß

 

Der Strauß - dies ist uns längst bekannt -

Bedient sich eines simplen Tricks:

Sein Kopf steckt meistens tief Sand

So sieht und merkt und hört er nix

 

Solange er ihn dort behält

Im dunklen Schutz von Mutter Erden

Erscheint ihm eine bessre Welt

Statt: Fressen und gefressen werden

 

Wobei ihm - was sich selbst erklärt -

Nun grad das Letztre widerfährt

 

[Sag: Scheint es da nicht fast obszön

Wenn einer meint, die Welt sei schön* ...?]

 

_____

* "Die Welt ist schön"

06/20

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Heidi (Mittwoch, 10 Juni 2020 13:59)

    Bist du sicher, Tünn, dass das Wort "obszön" hier angemessen ist?

  • #2

    Tünn (Donnerstag, 11 Juni 2020)

    Danke, Heidi, der Nachfrage.

    Der Duden sagt unter dem Stichwort „obszön“:
    „1. (...)
    2. [moralisch-sittliche] Entrüstung hervorrufend“

    Im letzteren Sinne spricht man z.B. von „obszönem Reichtum.“

    Für mich ist „unangemessen“ das Schlüsselwort, wenn es um die Frage geht, ob der Begriff „obszön“ in einem bestimmten Zusammenhang berechtigt sein kann. Unangemessen großer Reichtum - da, finde ich, passt es. Unangemessen wäre auch folgendes:

    Ein Schlachthof funktioniert - selbst ein möglichst „humanes“ Vorgehen vorausgesetzt - nicht ohne die Tätigkeit, der er seinen Namen verdankt. Würden Besucher - z.B. im Rahmen einer Besichtigung oder einer Kontrolle - während des Schlachtvorgangs sagen, ein (vielleicht in dezenten Pastelltönen gehaltener) Schlachtraum sei s c h ö n?! Dieses Fokussieren auf etwas angesichts des ins Auge springenden Leids völlig Nebensächliches könnte, finde ich, zu Recht moralische Entrüstung hervorrufen.

    Unsere Welt ist ein riesiger, nie eine Pause einlegender Schlachthof. Das Töten nehmen wir in der Regel nicht wahr. So, wie wir den von Menschen betriebenen Schlachthof und das dort existierende Elend normalerweise verdrängen, so tun wir das Gleiche mit dem Töten und Sterben in der Natur. Dass wir für dieses eine rationale Begründung geben können, macht das Ganze aus meiner Sicht nicht besser. Ich finde die Frage, ob man etwas schön nennen sollte, bei dem pausenloses Töten, Schmerz und Leid integraler Bestandteil seiner Funktionsweise ist, nicht vonvornherein abwegig.

    Dem Ausdruck „obszön“ kann man, finde ich, die Berechtigung in dem von mir geschilderten Zusammenhang nur dann absprechen, wenn man das Schlachten im Schlachthof nicht zur Kenntnis nimmt und das Töten und Fressen in der Natur ebenfalls nicht sehen will.

    Nun ist mir klar, dass wir uns - auch damit w i r in unserem Leben zu funktionieren vermögen - nicht ständig alles Leid auf der Welt vor Augen halten können. Vieles müssen wir verdrängen, manches sollten wir eigentlich nicht verdrängen: Alles das nämlich, was wir beeinflussen können.

    Ein Sonnenuntergang kann schön sein, eine Blume, der Himmel, ... aber d i e W e l t in ihrer Gesamtheit einschließlich ihrer in der belebten Natur herrschenden Gesetzmäßigkeiten?

    Dies ist gewiss eine recht radikale Position. Allerdings: Zunächst mal als Frage formuliert. Das lässt noch einen Ausweg offen :-). Nicht unwichtig auch: „Obszön“ reimt sich so schön ... Und: Es passt. Finde ich.